Armin Franzen, Absolvent Bildgestaltung/Kamera

„Jedes Bild ist die Interpretation eines Moments.“

Armin Franzen wollte nie Kameramann werden. Zwar interessierte er sich nach seinem Zivildienst für das Medium Film, jedoch bemerkte er erst in seiner Ausbildung zum Mediengestalter Bild und Ton sein Interesse an dieser Arbeit. So kam Armin Franzen 2001 ohne feste Erwartungen, aber mit umso größerer Begeisterung an die Filmakademie. Schnell wurde ihm klar, dass die Kamera zu ihm gehört wie früher sein Skateboard. Die Schule war eine Art Eldorado, voll von Leuten, die kreativ tätig werden wollten, und er dachte nur „Wow!“

„Beantwortet das die Frage?“, erkundigt Armin Franzen sich lachend bei mir. Wir sitzen bei Orangensaftschorle in Berlin Prenzlauer Berg. Es ist auffällig, wie bedacht er auf die Fragen antwortet, die ich ihm stelle. Diese Besonnenheit ist wahrscheinlich auch eine der wichtigsten Eigenschaften, die seine Arbeit auszeichnen. Erst das Wesen der Geschichte und vor allem ihrer Charaktere verstehen lernen, um dann Bilder zu kreieren, die ihnen gerecht werden. Dabei, sagt er, sollten Bilder entstehen, in die man sich am liebsten reinsetzen würde, wie in ein Auto oder ein Raumschiff, mit dem man dann eineinhalb Stunden herumfährt. Völliges Verständnis für die Charaktere, das ist die absolute Basis für ihn, denn jedes Bild sei die Interpretation eines Moments. Die Magie dieses Moments kann seiner Meinung nach nur durch alle Faktoren, jeden Menschen, der am Set mitarbeitet, durch das kollektive Zusammentun eingefangen werden.

„Das ist wie im Leben“, meint Armin Franzen, „Die schönsten Dinge sind die, die du dir niemals vorstellen kannst!“

Deshalb könnte er auch nicht sagen, wo er heute ohne die Filmakademie wäre. Für ihn war die Zeit an der Akademie genau das Richtige. Er stürzte sich damals sofort in die Arbeit, drehte extrem viel, auch um eine gewisse Sicherheit zu entwickeln. „Ich kam mir in Ludwigsburg vor wie in einem Mikrokosmos, dort war ja keiner, um in dieser Stadt zu leben. Die waren alle nur da, um diese eine Sache zu machen!“ In diesem Vakuum herrschte für ihn unglaublich viel Kraft und Intensität, um Filme zu drehen und für Dinge zu kämpfen. Dabei hatte Armin Franzen immer das Gefühl, am Puls der Zeit zu sein. Gleichfalls kam er sich vor, wie in einer Art Zeitkapsel. Man lebt einfach schneller an der Akademie. Es geschieht so viel wie im „normalen“ Leben in der halben Geschwindigkeit. Natürlich konnte es da auch mal zu eng werden.  „Es passiert ja auch ganz schnell, dass Leute gehypt werden, das ist wie auf dem offenen Markt!“ Das kann etwas Brutales an sich haben und sich auch nicht für jeden eignen, für Armin Franzen war jedoch gerade die Nähe zur Filmindustrie sehr hilfreich. So wurde er nicht aus einer rosaroten Welt in die Realität geworfen, sondern war gewappnet für das, was ihn erwartete.

In seiner Zeit an der Akademie vertrat er des Öfteren eine andere Auffassung als die jeweiligen Dozenten, für ihn waren diese Reibungsstellen aber extrem wichtig, besonders in der Kombination mit den Dozenten, die ähnlich dachten. Vor allem Jolanta Dylewska und ihre Ansichten zur Kameraarbeit berührten und prägten ihn sehr. „Jolanta hat mir in den Einzelgesprächen einfach nur Fragen gestellt und mir meinen Raum gelassen, ohne dass ich es gemerkt habe. Ich kam da raus und dachte ‚Super, meine Dozentin hat mir extrem wichtige Ideen gegeben.’ und ein paar Tage später habe ich dann gemerkt, dass Jolanta diese Ideen in mir generiert hat.“ Jolanta Dylewska war auch der Grund, weswegen sich Armin Franzen dazu entschied, ein Auslandsjahr in Lodz zu absolvieren. Wenn er von der Zeit dort erzählt, gerät er ein wenig ins Schwärmen. Die Filmhochschule in Lodz beherbergt nicht nur die älteste Kameraausbildung der Welt, sondern die Kameralehre zieht dort auch eine ganz klare Linie zwischen Analyse und Interpretation, was für die Kameraarbeit „ein Buch mit 7 Siegeln ist“. In Polen führte er bei seinem Kurzfilm auch selbst Regie. Bei diesem Dreh lernte Armin Franzen sich durchzuboxen. Als er am Ende des ersten Tages alles hinschmeißen wollte, weil er merkte, dass kein Film entstehen würde, überredete ihn sein Co-Regisseur zum Weitermachen. Durch seine Erkenntnis konnte Armin Franzen die folgenden Tage völlig befreit arbeiten und lief mit BUILT TO DREAM im Wettbewerb des Camerimage.

Mit seinem Diplomfilm KRONOS gewann er später als erster Student den Deutschen Kamerapreis in der Kategorie Kinofilm. Zwei Monate nach seinem Diplom drehte er mit Thomas Schadt DER MANN AUS DER PFALZ. Eigentlich, lacht er, hat er immer Filme über politische Themen gemacht oder Märchen. Armin Franzen hat immer sehr genau abgewogen, welche Filme er dreht, und sich mehr als ein Mal für das Low-Budget-Projekt entschieden, wenn ihm das Thema mehr zusagte. „Ich will das nicht wegen Geld machen, dafür ist es mir zu wertvoll.“ Sein Studium finanzierte er sich komplett über die unterschiedlichsten Arten von Studienkrediten, um nicht nebenbei arbeiten zu müssen und seine eigenen Sachen realisieren zu können. Er setzte alles auf eine Karte. „Ich dachte: Entweder ich verdien’ später damit mein Geld und es kommt wieder rein und ich muss mir keine Gedanken machen, oder ich hab´ danach sowieso ein Riesenproblem, dann kommt das Geldproblem noch zu diesem anderen Problem hinzu.“

Haltung ist generell ein wichtiger Begriff für Armin Franzen, auch in Bezug auf Filme. Bei den Amerikanern oder Franzosen fände man auch in Komödien oder Actionfilmen eine Haltung. Es gehe ihm ja nicht immer um intellektuellen Tiefgang, aber emotional berühren sollte es schon. In deutschen Komödien hätte man oft das Gefühl, dass sich über andere Menschen lustig gemacht wird, aber Armin Franzen möchte viel lieber über sich selbst oder „mit“ anderen Menschen lachen. Sowieso müsste etwas die Angst weg, dass nicht mehr gedacht wird: „Was könnte den Zuschauern gefallen?“, sondern dass man erst einmal selbst von der eigenen Idee begeistert ist, für sie brennt, und dann überlegt, wie man sie dem Zuschauer zugänglicher machen kann.

Auch heute noch gibt es bei jedem neuen Projekt den Punkt, an dem er das Gefühl hat, zum ersten Mal einen Film zu drehen. Für Armin Franzen ist das wichtig. Wenn es irgendwann passieren sollte, dass er hundertprozentig weiß, wie es geht, braucht er in dem Job nicht mehr zu arbeiten; dann sind seine Bilder tot.

„Wenn man weiß, wie das Leben funktioniert, lebt man nicht mehr. Ich möchte niemals aufhören zu lernen!“, spricht er und lädt mich netterweise auf die Orangensaftschorle ein.

Alumni-Profil

Autorin: Katja Ginnow