Daniel Nocke, Absolvent Drehbuch und Animation (1999)

Was mich vor Schreibblockaden bewahrt? Ein bisschen Selbstbetrug."

Daniel Nocke ist Drehbuchautor, Animator, Dozent und Gelegenheitsschauspieler. In seiner Kindheit entstand der Berufswunsch „Trickfilmer“; heute schreibt er vor allem Drehbücher für Fernsehfilme, die von schrägen Charakteren und starken Dialogen leben.

Schaut man sich an, was Daniel Nocke bislang mit Film zu tun hatte, stößt man auf verschiedene Rollen, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen. Wenn man genauer hinschaut, ergibt all das Sinn: Der Animationsfilm steht am Anfang, die Leidenschaft fürs Drehbuchschreiben hat er beim Konzipieren von Trickfilmen entdeckt. „Ich war nie der große Animator“, gibt er zu, „sollten Animationsfilme von mir gut gewesen sein, dann wegen des Drehbuchs.“ Als Kind bastelt er Daumenkinos, als Jugendlicher entdeckt er die Super 8-Kamera für sich, mit der er erste Trickfilme dreht. Ein Betriebspraktikum führt ihn als Neuntklässler zu einem kleinen Hamburger Animationsfilmstudio. Was als Orientierungspraktikum angedacht ist, festigt bei Daniel den längst vorhandenen Wunsch, zum Film zu gehen. „Eigentlich verrückt, das ist ja, als würde man Lokomotivführer werden.“

Nach der Schule reicht Daniel seine Trickfilme bei Festivals ein, schreibt nebenher Theaterstücke und „studiert ein wenig“ – Germanistik nämlich. Nach einer erfolglosen Bewerbung an der Kunsthochschule in Hamburg entdeckt er in einer Fachzeitschrift zufällig ein Stellengesuch der neu gegründeten Filmakademie. „Ich habe damals in Ludwigsburg angerufen und mir Broschüren zuschicken lassen“, erzählt Daniel, „es war ja noch alles analog damals.“ Der Aufwand hat sich gelohnt: An der Filmakademie werden seine beiden Wunschfächer angeboten, Drehbuch und Animation – damals ein Alleinstellungsmerkmal unter allen deutschen Filmhochschulen. Er bewirbt sich für den Studienschwerpunkt Animation und fasst den Plan, Drehbuch „mit zu studieren“. „Ich habe mir einfach mehr Chancen im Studienfach Animation erhofft, weil ich da schon einiges gemacht hatte und annahm, dass weniger Bewerber ganze Trickfilme einreichen als Drehbücher.“

An der Filmakademie findet Daniel alles vor, was er sich von seinem Studium erhofft: Hier kann er unter guten Bedingungen Animationsfilme machen, mit Kommilitonen an Charakteren feilen und die Theorie des Drehbuchs lernen. Heute unterrichtet er selbst an seiner alten Hochschule – und weiß auch deshalb manches Seminar, das er damals anstrengend fand, zu schätzen. Ab 1999 unterstützte er zunächst Studierende des Animationsinstituts als Drehbuchberater und wechselte später zum Studienschwerpunkt Drehbuch, wo er seit 2005 vermittelt, was einen guten Dialog ausmacht. Die Zusammenarbeit mit Studierenden ist für ihn eine Abwechslung zum Tagesgeschäft und ein Anlass, die eigene Arbeit zu reflektieren: „Jeder Jahrgang ist anders, da muss man erst mal rein finden. Und man merkt dabei, wie lange man das Ganze schon macht.“

Im Grundstudium schreibt er das Buch zu einem Film, den Stefan Krohmer, damals Studierender im Studienschwerpunkt Regie/Szenischer Film, umsetzt. DER TRAINER (1995) markiert den Beginn einer Zusammenarbeit, die bis heute anhält. Mehr als ein Dutzend Filme hat das Duo Nocke-Krohmer schon gemeinsam realisiert; zuletzt einen Zweiteiler für die ARD. Daniel zeichnete auch für mehrere Kinofilme verantwortlich; das Drehbuchschreiben macht heute etwa 95 Prozent seiner Arbeit aus. Alle zwei Jahre produziert er gemeinsam mit Studio Film Bilder in Stuttgart einen Animationsfilm. Seine jüngste 3D-Animation, WER TRÄGT DIE KOSTEN, ist Gesellschaftskritik in Reinform: Tiere in Anzügen, die in Talkshow-Manier über Verteilungsgerechtigkeit diskutieren.

„Seit der ‚Aka’ gab es eigentlich keinen Moment, in dem man dachte, es geht nicht weiter“ – den Übergang ins Berufsleben fand Daniel leicht, denn er war ja schon längst drin. Mit Stefan Krohmer hatte er dessen Diplomfilm BARRACUDA DANCING in Zusammenarbeit mit dem Kleinen Fernsehspiel des ZDF realisiert. Dank einer Sender-Kooperation, die Nico Hofmann für Debütfilmer ausgehandelt hatte, konnte er direkt nach dem Diplom eines seiner Drehbücher an den Sender bringen – und lieferte so die Grundlage für Stefan Krohmers ersten mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten Neunzigminüter ENDE DER SAISON. Von der Serie bis zum Langspielfilm hat Daniel seine Ideen schon in alle Genres gepackt. Schreibblockaden kennt er nicht. „Ein bisschen Selbstbetrug hilft. Man muss sich immer vornehmen, leicht unter dem eigenen Niveau zu bleiben, das nimmt den Druck raus. Auch wenn man sich damit natürlich etwas vormacht.“ Daniel lacht. Seine Ideen entstehen am heimischen Schreibtisch, er lebt mit seiner Familie in Hamburg. Ein großer Kinogänger oder Fernsehzuschauer ist er nicht – „sonst erkenne ich noch Stellen, die sich in meinen Büchern wiederfinden – was bei schlechten Filmen besonders unangenehm ist.“ Beim Schreiben geht er meist von Szenen aus und arbeitet um sie herum den Plot aus. Wenn ihm ein Auftrag angeboten wird, klopft er ihn vor allem danach ab, „ob gerade ich der Richtige für den Stoff bin.“  

Neben seinen vielen Drehbüchern entdeckt man in Daniels Filmografie auch Schauspielauftritte. „So ist das doch beim Film, man hilft sich gegenseitig aus“, sagt er, „hie und da mal eine kleine Rolle.“ Die Schauspielerei ist für ihn nur ein Hobby, „an mir ist kein Schauspieler verloren gegangen, nein.“ Aber das Hobby hat ihn zu spannenden Filmdrehs gebracht: So spielte er zum Beispiel eine Nebenrolle in DREI ZIMMER/KÜCHE/BAD, nachdem Dietrich Brüggemann ihn in einem Film entdeckt hatte. Mit seinem jüngsten Projekt will Daniel einmal wieder seinen Horizont erweitern – er produziert ein Kammerspiel, das er fürs Kino geschrieben hat, selbst.

Alumni-Profil

Autorin: Ana-Marija Bilandzija