Daniel Stamm, Regisseur und Drehbuchautor

Kreative Kicks und ein Ass im Ärmel

Dunkelblonde Haare, Wuschelkopf und gute Laune, die ansteckt. Daniel Stamm ist ein Sonnyboy, wie er im Buche steht. Er hat in Ludwigsburg Drehbuch studiert, heute ist Daniel ein gefragter Regisseur in Hollywood. Was ihn antreibt? „Das Gefühl des kreativen Rausches. Der Kick, dass man etwas geschaffen hat, was es vorher nicht gab und jetzt existiert: Das ist meine Droge“, sagt Daniel. Deswegen macht er Filme, schreibt Lieder und erfindet Spiele. Aber der Reihe nach.

Daniel wird 1976 in Hamburg geboren. Seine kreative Sucht entdeckt er, wenig später, bei den Pfadfindern. Schuld ist das Rollenspiel Dungeons and Dragons: „Das hat mich umgehauen, weil´s einfach großartig war, sich Sachen auszudenken, die auf einmal für alle existieren. Man hatte das Gefühl Gott seiner eigenen Welt zu sein und das war wie ´ne Droge. Wir haben das ewig gespielt über Wochenenden, nächtelang und uns in der Schule Zettel zugeschoben und weitergespielt. Ich war so angefixt, dass ich dachte, ich muss das für den Rest meines Lebens machen. Ich muss einen Job haben, in dem ich Sachen erfinden und diesen Rausch der Kreativität weiter auskosten kann.“ Also tastet Daniel sich vor, schreibt für die Schülerzeitung und moderiert eine Radiosendung im offenen Kanal. Offiziell beteuert er, er wolle Journalist werden. Heimlich informiert er sich, wo man das Geschichtenschreiben lernen kann. Die Filmakademie hat er nicht auf dem Schirm - bis ihm seine Mutter einen Zeitschriftenartikel zusteckt. „Ich glaub, den Artikel hatte sie aus der Brigitte ausgeschnitten. Ich erinnere mich noch an das Titelbild: Ein alter Mann, der durch eine Kamera guckt. Das muss einer der damaligen Dozenten gewesen sein. Und ich erinnere mich an die Adresse, die da angegeben war: Mathildenstraße 20.“

Die Filmakademie muss aber erst Mal warten, genauso wie Daniel. Der kann seine Zivildienststelle als Friedensarbeiter in Belfast nämlich nicht gleich nach dem Abitur antreten. Um die Wartezeit zu überbrücken, studiert er ein Semester Theaterwissenschaft. Von Belfast aus bewirbt er sich hartnäckig an der Filmakademie, wird beim dritten Versuch aufgenommen und landet schließlich im Studienschwerpunkt Drehbuch. Beim Gedanken an den schwäbischen Studienort ist ihm erst ein wenig mulmig zumute: „Ich weiß noch, dass ich mich gefragt habe, ob ich denn im Süden studieren kann. In der Nähe von Stuttgart … das war für mich so provinziell, wie´s nur ging. Das war schon ein Schritt.“ In Ludwigsburg angekommen, werden seine Bedenken schnell zerstreut: „In den ersten beiden Jahren war ich pausenlos im Schreib- und im Ich-muss-was-leisten-Stress. Da war es ohnehin egal, da hätte ich auch auf dem Mond studieren können. Aber dann fand ich Ludwigsburg eigentlich ganz gemütlich, dieses Kleinstadtflair, was ich als Hamburger ja nicht kannte.“ Daniel, der die meiste Zeit im stillen Kämmerlein verbringt, um zu schreiben, beginnt mit dem Job des Regisseurs zu liebäugeln. „Alle meine Freunde, die Regisseure waren, sind immer vom Dreh wiedergekommen mit den tollsten Geschichten und ich hab mich immer ein bisschen außen vor gefühlt, dass ich da sitze und mir meine Geschichten ausdenke.“ Außerdem findet er das, was er schreibt, nicht gut genug: „Unsere Professorin Franziska Buch hat uns Drehbuchtheorie beigebracht und das so unglaublich gut, wie es niemand sonst hätte tun können. Dadurch ist mein Wissen über die Materie so schnell gewachsen, dass mein Talent nicht mithalten konnte. Immer wenn ich etwas geschrieben hatte, habe ich es durchgelesen und gedacht, das ist schlecht und zwar aus diesen und jenen Gründen und habe es verworfen.“

Daniel hält trotzdem durch und macht 2002 an der Filmakademie seinen Abschluss als Drehbuchautor. Dann geht er nach Los Angeles und studiert Regie am American Film Institute, dem AFI. Nach seinem Abschluss bleibt er dort und dreht mit einem befreundeten Kameramann den Spielfilm A NECESSARY DEATH. Für das Projekt gibt es weder Budget noch Drehbuch. Daniel überlegt sich eine Handlung und lässt die Schauspieler improvisieren: Es geht um einen Filmemacher, der einen Menschen sucht, dessen Suizid er mit der Kamera begleiten kann. 2008, nach drei Jahren harter Arbeit, ist der Film fertig und gewinnt prompt den Publikumspreis beim AFI Fest. „Eigentlich war das ein Heimspiel. Das Publikum bestand ja zum Großteil aus unseren Freunden und Bekannten, die wir gebeten hatten für uns abzustimmen. Trotzdem war das eine Sensation, weil in den Jahren zuvor immer namhafte Produktionen den Preis geholt hatten.“ Danach stehen die Agenten bei Daniel Schlange und das nächste Projekt THE LAST EXORCISM, ein Horrorfilm im Doku-Stil, wird ihm buchstäblich aufgedrängt: „Weil ich als einziger Regisseur das Angebot abgelehnt hatte, wollten die mich unbedingt haben. Die dachten, das Drehbuch wäre noch nicht perfekt und der miesepetrige Deutsche mit dem Drehbuchhintergrund aus Ludwigsburg wäre der einzige, der das gemerkt hat und reparieren kann.“ THE LAST EXORCISM kommt 2010 in die US-Kinos und wird zum großen Überraschungserfolg. Das ist Daniels Durchbruch.

Inzwischen hat er mit dem legendären M. Night Shyamalan gearbeitet, dem Macher von THE SIXTH SENSE, bei dem Horrorfilm-Remake 13 SINS­ Regie geführt und, neben anderen renommierten Regisseuren, für BBC America einige Folgen der Mystery-Serie INTRUDERS gedreht. „Ich kann gut von meiner Arbeit als Regisseur leben und muss mir keine Sorgen machen.“ Im Moment ist Daniel damit beschäftigt Drehbücher zu lesen, auf ­der Suche nach dem nächsten Film. „An der Aka habe ich gelernt, Drehbücher zu analysieren und wie ein Wirbelwind darüber zu sprechen. Das ist mein großes Ass, das ich im Ärmel hab. Deswegen bekomme ich Jobs in Hollywood.“ Selbst ein Drehbuch zu schreiben, kommt für Daniel aber erst Mal nicht in Frage. Den kreativen Kick holt er sich woanders: Nachdem er sich schon erfolgreich als Songwriter versucht hat, ist Daniel gerade dabei ein Brettspiel zu entwerfen. Es soll etwas mit Film und Rollenspiel zu tun haben.

Alumni-Profil unter https://www.filmakademie-alumni.de/student.html?pid=300

Autorin: Uta Schindler