Franz Lustig, Absolvent Regie/Werbefilm

Hört auf euer Auge

„Das ist jetzt die letzte Chance, dass du das Seminar machst.“ - „Ich glaube, ich mach´s nicht. Ich drehe lieber ein Chaka Khan-Musikvideo in L.A.“ - „Gut, dann bekommst du dein Diplom nicht.“ - „OK, Professor Ade, dann werde ich aber allen erzählen, weshalb ich mein Diplom nicht bekommen habe, wenn ich mal berühmt bin.“

Kameramann Franz Lustig grollt dem ehemaligen Direktor der Filmakademie, Albrecht Ade, trotz des verweigerten Diploms nicht; er wusste, dieser musste so entscheiden, „sonst hätten damals ja alle gemacht, was sie wollten.“ Der Alumnus, der heute erfolgreich als Kameramann in Werbung und Film arbeitet, war einer der Studenten des Gründungsjahrgangs der Filmakademie. Im Jahr 1991 hatte sich Franz Lustig zunächst im Studienfach Regie beworben, und das, obwohl seine große Liebe eigentlich der Kamera galt. Sein Vater hatte ihn im Alter von 11 Jahren in die Magie von Super 8 eingeführt. „Für mich war das wie eine Erleuchtung“, erinnert sich Franz und erzählt, dass er ab diesem Zeitpunkt für eine Weile die ganze Welt nur noch durch einen Kamerasucher gesehen habe. Diese Leidenschaft hielt an, und noch während der Schulzeit in der badischen Provinz drehte er mit zwei Freunden (einer davon arbeitete später an den Special Effects für Roland Emmerichs Filme) eine DERRICK-Persiflage von 70 Minuten, die ihm dann auch seine spätere Arbeitsstelle einbrachte. Ein Ludwigsburger Unternehmen, das vornehmlich Industriefilme produzierte, bot dem 20-Jährigen Franz eine Praktikumsstelle an, nachdem sie den Film auf einem Wettbewerb gesehen hatten. Nach einem Jahr unentbehrlich geworden, weil er mittlerweile neben der Kamera auch das Schneiden von Filmen beherrschte, hörte er dann von der Gründung der Filmakademie in Ludwigsburg. „Ich hatte einen Masterplan. Ich wollte so schnell wie möglich Filme machen.“

Auch wenn damals, in den Anfängen der Filmakademie, die akademischen Strukturen noch zu wünschen übrig ließen, erinnert sich Franz gerne an seine Studienzeit zurück. „An der Filmakademie galt das Hands-On-Prinzip – jeder hat jedem geholfen.“ Im 3. Jahr seines Studiums entschied sich Franz dann für die Spezialisierung auf Werbefilm – damals ein absolutes Novum, Werberegie an einer deutschen Filmhochschule zu studieren. Franz hatte damit Erfolg, denn schon sein erster Spot, eine Werbung für die Zigarettenmarke West (Regie: Jess von der Ahe) wurde von dem Unternehmen erworben und im Kino ausgestrahlt. Wenig später kam der Fotograf Ralf Schmerberg auf ihn zu und bot ihm eine Zusammenarbeit an. Eine erfolgreiche Regie-Kamera-Partnerschaft, die zehn Jahre halten sollte. Auf dem gesamten Globus waren sie damals unterwegs, um Commercials und Musikvideos zu drehen. Und so kam es damals zu dem oben erwähnten Dialog mit Albrecht Ade, denn Franz entschied sich statt des Diploms für die Zusammenarbeit mit Ralf Schmerberg.

„Wir haben die deutsche Werbung verändert.“ Denn die beiden drehten damals mit Handkamera – natürlich noch auf Film – und meist mit natürlichem Licht, zu diesem Zeitpunkt unüblich in der Werbebranche, die eher zum High-Production-Value neigte. Der ungewöhnliche Stil des Teams war bald weltweit gefragt, sie bekamen sogar den Auftrag für einen Nike Superbowl-Spot, den Franz selbst im Schnittraum bearbeitete, wie alle anderen Projekte auch. „Wenn ich den heiligen Moment durch den Sucher gespurt habe, konnte ich das im Schnitt gleich umsetzen. Ich war der, der es am besten gesehen hat. Das ist ja das Tolle am Beruf Kameramann.“ Ein Privatleben hatte der heutige Familienvater damals allerdings nicht, wie er selbst ohne Bitterkeit sagt, denn schließlich habe er allein für das Filmen gelebt. 2004 lösten Ralf Schmerberg und Franz ihre Partnerschaft auf, da Franz beschloss, nun neue Wege zu beschreiten. Bisher hatte er als bekannter Werbefilmer der jungen Garde zwar Spielfilmangebote bekommen, diese jedoch immer abgelehnt. „Ich war nicht arrogant, aber ich war wählerisch, weil ich wusste: mein erster Spielfilm wird von vielen Leuten beobachtet.“ Ein Druck, den er sich selbst aufgebaut hatte, weil er wusste, dass Kinofilme eine andere Energie erfordern als Werbung, und er den entsprechenden Respekt davor hatte. „Werbung ist wie Sprint, Spielfilm wie Marathon.“ Schließlich drehte er dann mit Wim Wenders zunächst den Independent-Film LAND OF PLENTY unter schwierigen Bedingungen. Low-Budget, kurzfristige Planung und einige 19-Stunden-Drehtage. Das Ergebnis begeistert Franz jedoch bis heute, da es „ein besonderer Film von Wim“ sei. Als ihn Wim Wenders ein Jahr später dann auch für DON´T COME KNOCKING anfragte, war Franz gerührt, dass er ihn für eine große Produktion ebenfalls in Betracht zog. Für diese Kameraarbeit wurde Franz mit dem European Film Award belohnt. Er betont jedoch, dass man sich auf Preise nicht zu viel einbilden solle, weil diese oftmals auch etwas mit Glück zu tun haben. Für ihn bedeutet Erfolg eher, für die Geschichte die richtigen Bilder gefunden zu haben.

Die dritte Zusammenarbeit mit Wim Wenders, PALERMO SHOOTING, war erneut ein fruchtbares Projekt für Franz, denn durch die Zusammenarbeit mit Wim Wenders lernte er Orte auf besondere Art und Weise zu betrachten und an den Zuschauer weiterzugeben: „Wim bewahrt Orte in seinen Filmen.“ PALERMO SHOOTING scheiterte 2008 zwar an den Kinokassen, Franz glaubt aber, dass „er reifen wird wie ein guter Rotwein.“ Im Jahr 2013 drehte er erneut mit dem Regisseur Kevin Macdonald einen Kinofilm, HOW I LIVE NOW, ein britisches Jugenddrama, das für Franz die berufliche Weiterentwicklung im Vereinigten Königreich ermöglichte. Nach 20 Jahren als Kameramann, in denen er das meiste Handwerkliche und Technische verinnerlicht hat, könne er nun mit seinem Wissen und seinen Möglichkeiten sowohl in Werbung, Dokumentarfilm als auch im Spielfilm experimentieren. „Jetzt wird’s erst richtig schön“, sagt er grinsend. In all den Jahren habe sich jedoch nicht geändert, dass er auf seine Intuition höre. „Ein guter Kameramann sollte immer intuitiv arbeiten, und das ist schwierig, denn man muss sich selbst vertrauen und mutig sein.“ In der digitalen Film-Zeit sei dies jedoch leichter möglich als zu Zeiten des Zelluloids, wo nur der Kameramann wusste, dass das, was er durch den Sucher sah, auch wirklich gelungen war.

„Hört auf euer Auge“, gibt er deshalb in Seminaren an Kamera-Schüler weiter, denn Mut gehört dazu, um gute Filme zu machen.

Alumni-Profil

Autorin: Janett Lederer