LIVE-SCHALTUNG NACH MÜNCHEN ZU... ROBERT KUCZERA, ABSOLVENT ANIMATION (2003)

 

Rob, wie entstand deine Begeisterung für 3D-Animationen?

Nach der Schule habe ich über einen Freund, der in einem 3D-Studio in Köln gearbeitet hat, zum ersten Mal überhaupt gemerkt, dass es in Deutschland möglich ist, am eigenen Computer so tolle Animationen zu kreieren wie in einer großen Filmfirma in Hollywood. Das hat mich fasziniert und ich habe mich um einen Praktikumsplatz beworben. Um mich einzuarbeiten, habe ich mich dann zu Hause eingebunkert (lacht) und geübt, geübt, geübt. Während meines Praktikums arbeitete ich im Bereich Character Animation und Motion Capture. Nach einigen Jahren dort habe ich dann zu einer anderen Firma gewechselt.

Woher kam dein Entschluss, dich an der Filmakademie um einen Studienplatz zu bewerben?
Es war damals schwer, sein Wissen im Bereich 3D-Animation zu erweitern. Für Artists gab es nur wenige Arbeitsplätze und verhältnismäßig auch nur wenige Leute, die diesen Beruf ausgeübt haben. Heutzutage gibt es tonnenweise Arbeitsplätze und tonnenweise Artists. Wenn jetzt, in Zeiten des Internets, jemand bei Null anfängt, kann er dank des überall verfügbaren, komprimierten Wissens schon innerhalb von 1-2 Jahren sehr weit kommen. Das war früher anders. Man konnte sich immer nur innerhalb einer Firma weiterentwickeln und ich habe gemerkt, dass mir da irgendetwas fehlt. Dein Wissen war dein Kapital, es gab damals noch keine Lehrbücher oder Online-Tutorials rund um Animation. Die einzige Möglichkeit zu lernen, war, in der Firma verschiedene Aufgaben anzunehmen. Wie kann man da noch weiterkommen? Die Preise für Soft- und Hardware, um sich auf eigene Faust weiterzubilden, lagen im sechsstelligen Bereich. Dass die Filmakademie einem die Möglichkeit eröffnete, Animation zu studieren, war eine seltene Chance, also habe ich mich beworben.

Welche Erinnerungen verbindest du mit deinem Studium in Ludwigsburg?

Es war sehr schön, an der Akademie so viele Leute auf einmal zu treffen, die alle den gleichen Wissensdrang hatten wie ich. Da ich keinen sehr ausgeprägten Filmbackground hatte, als ich an die Aka kam, habe ich hier unglaublich viel gelernt. Vor allem das erste Jahr habe ich als sehr anstrengend, lehrreich und intensiv in Erinnerung. Das hat meinen Horizont enorm erweitert.

Besonders toll an der Filmakademie ist ja auch, dass sie einem die Zeit gibt, eigene Sachen zu entwickeln und sich auszuprobieren. Ich bekam die Möglichkeit, andere Bereiche der Filmbranche kennenzulernen, von Profis und Kommilitonen zu lernen und eigene Projekte umzusetzen. Man ist dort umgeben von lauter Spezialisten, die einem helfen, seine Ideen zu verwirklichen. Ein bisschen allein gelassen mit meiner Arbeit fühlte ich mich zwar auch manchmal – gleichzeitig aber konnte ich immer jemanden um Rat oder Hilfe bitten.

Hast du über die Filmakademie Kontakte geknüpft, die bis heute Bestand haben?

Das Studium an der Filmakademie hat mir sehr dabei geholfen, ein weltweites Netzwerk an Artists aufzubauen, ja. Vor allem direkt nach dem Studium hatte ich viele Kontakte zu ehemaligen Kommilitonen. Wie wichtig das Menschliche in unserem Beruf ist, war mir anfangs nicht so bewusst, das habe ich aber im Laufe der Zeit immer stärker gemerkt. Ab einem gewissen Level sind alle künstlerisch sehr gut – dann kommt es darauf an, wie gut man sich mit den anderen verträgt. Davon hängt dann unter Umständen auch ab, wer am Ende den Job bekommt.

Dein Einstieg von der Filmakademie in die Branche lief direkt über die Mitarbeit an HARRY POTTER AND THE PRISONER OF AZKABAN. Wie kam es dazu?

Nach meinem Diplom habe ich mich bei mehreren Firmen in London beworben und stand dann vor der Wahl, ob ich zu Framestore oder The Mill gehe. Der Job bei The Mill war zwar besser bezahlt, aber Framestore begann gerade mit der Arbeit an dem dritten HARRY POTTER-Film. Ein Kumpel hat mir auch geraten, unbedingt an HARRY POTTER mitzuarbeiten. (lacht) Mir war damals noch gar nicht klar, was das bedeutete. Erst, als ich den Job dann angenommen hatte und an dem Film mitgearbeitet habe, habe ich gemerkt, dass er weniger ein Film für Kinder als für Erwachsene ist. Daran direkt nach der Aka zu arbeiten, war schon ein Wow-Erlebnis.

Von London über Berlin nach München – du hast oft deinen Arbeitsstandort gewechselt. Warum?

In London hat es mir in den ersten Jahren super gut gefallen, der Zusammenhalt im Team war sehr gut und alles hatte noch den Reiz des Neuen für mich. Irgendwann aber ist diese Stimmung bei mir genau ins Gegenteil gekippt und ich fand London nur noch anstrengend und nervig. In der Stadt ist extrem viel los und alles geht immer sehr hektisch zu. Als ich daraufhin nach Berlin zog, erlebte ich dort einen richtigen Aha-Effekt: Berlin ist so viel relaxter als London und trotzdem wird dort wahnsinnig viel produziert. Ein paar Mal bin ich noch für Jobs zwischen Berlin und London hin und her gependelt und da habe ich umso mehr gemerkt, wie entspannt und angenehm es in Berlin zugeht.

Seit ein paar Jahren lebe ich nun in München und betreibe dort mein eigenes 3D-Animations-Studio. Nach so vielen Jahren in Firmen genieße ich es, mein eigener Chef zu sein. Natürlich bin ich dadurch auch verantwortlich für alles, muss mir meine Aufträge selbst besorgen und sie selbst umsetzen. Dafür habe ich nun keine Vorgesetzten mehr, sondern nur noch Kunden und der Kunde ist König. Je nach Projekt engagiere ich 2-3 Leute, mit denen ich zusammenarbeite und das funktioniert auch super so. Gleichzeitig muss ich auch nicht mehr für Jobs herumreisen wie früher, sondern kann mit meiner Familie an einem Ort leben.

Zu wissen, dass ich in meinem eigenen Studio arbeiten kann, wann und wo ich will, gibt mir die Entspannung im Kopf, dass ich mich in meinem Beruf nie gestresst fühle.

Eines deiner Spezialgebiete sind die Character Creation und Character Animation. Was fasziniert dich besonders daran?

Das fing schon in der ersten Firma an, für die ich gearbeitet habe. Figuren zum Leben zu erwecken fand ich von Anfang an sehr faszinierend und das hat sich bis heute durchgezogen. Die Character Creation/Animation ist die Aufgabe, die mir am meisten Spaß macht und mir die meiste Herausforderung bietet. Es ist so spannend, damit zu experimentieren. Man kann Zuschauer zum Lachen oder Weinen bringen, sie bewegen. Anfangs habe ich mehr Creation gemacht, irgendwann hat sich das dann mehr auf Animation verlagert.

Bei dem HARRY POTTER-Film beispielsweise war ich einer von zehn Animatoren, die den Hippogreif animiert haben. In einer so großen Firma kriegt jeder ein paar Shots, die man dann oft mehrmals korrigieren muss. Das ist auch der große Unterschied zwischen internationalen/amerikanischen und deutschen Filmen. Im amerikanischen Film ist der Weg für jedes Gewerk extrem steinig, man muss ständig Änderungen vornehmen und so viel umändern, dass die Arbeit sich meistens eher frustrierend anfühlt. Dafür ist das Endergebnis dann super. In vielen deutschen Produktionen ist es anders herum: Der Weg ist schön und man kann sehr viele eigene Ideen relativ frei umsetzen – dafür ist das Gesamtpaket manchmal nicht so unglaublich toll. Natürlich ist das auch immer eine Budgetfrage.

Ich habe an Blockbustern wie CAPTAIN AMERICA, IRON MAN 2 und DISTRICT 9 mitgearbeitet, aber auch als Animation Director / Supervisor für DER SIEBTE ZWERG, TARZAN 3D und HEXE LILLI 2. Meistens präferiere ich die deutschen Projekte, deren Umsetzung mehr Freude macht und deren Weg zu einem guten Ergebnis bei weitem nicht so unangenehm ist. Meine Arbeit ist auch immer noch mein Hobby und die Freiheit im Beruf ist für mich auch der Schlüssel zur Entspannung. Und hier in München fühle ich mich wirklich sehr wohl.

Einen Blick auf aktuelle Projekte von Robert kann man auf www.3dcharacters.de werfen.

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DAS INTERVIEW führte: Meike Katrin Stein