Nicole Weegmann, Absolventin Szenischer Film

„Qualität sollte der Maßstab sein.“

Als Nicole Weegmann während ihres Studiums an der Filmakademie von einem Kommilitonen gefragt wurde, was passieren würde, wenn sie keine Filme mache, sie hätte ja gar keinen Plan B, dachte sie nur „Warum auch?“ Nicht etwa, weil sie an maßloser Selbstüberzeugung litt, sondern vielmehr, weil sie in dieser Hinsicht ein Gottvertrauen in sich trug. „Ich habe nicht in Frage gestellt, dass ich Spielfilme mache, mir war allerdings bewusst, dass es seine Zeit dauern kann.“

Im Alter von 14 Jahren – Nicole wusste schon, dass sie Filme drehen wollte – motivierte man sie in einer ersten Berufsberatung, wie sie im Rahmen der Schule stattfinden, doch lieber Fotografie zu verfolgen. Das wäre pragmatischer, was die beruflichen Aussichten angehe. Nicole verbrachte lange Zeit im Ausland. Ihr Weg führte von Cinecittà in Italien über die Berliner Letteschule für Fotodesign zur audiovisuellen Abteilung der Kunsthochschule in Amsterdam. Sie arbeitete in vielen Bereichen der Fotografie und vor allem mit Fotoserien, auch dokumentarischen, oder Tonbildschauen. Schließlich bewarb sie sich in Ludwigsburg und verließ die Gerrit Rietveld Academie in Holland, um an die Filmakademie zu gehen.

Nicole gehörte zum ersten Jahrgang der noch ganz jungen Hochschule. Die Stimmung, die vorherrschte, war gut. Neben Dozenten wie Nico Hofmann und Laurens Straub, der Filmgeschichte unterrichtete, prägte sie vor allem das Miteinander unter den Studierenden. „Man war ständig im Austausch darüber, was der beste Film der Welt sei und welche Filme die Welt brauche.“ Für Nicole Weegmann sind die Kommilitonen, mit denen man gemeinsam studiert, ganz erheblich ausschlaggebend für die eigene Entwicklung. Sie waren durch die Lage der Hochschule sehr konzentriert auf sich und fast ständig an der Akademie, teilweise bastelten sie bis spät in die Nacht an ihren Filmen. Weshalb Nicole auch bald ihr Zimmer in Stuttgart aufgab und nach Ludwigsburg zog. „Es war eine sehr intensive Auseinandersetzung mit Film und den Inhalten des Studiums. So als Lebensabschnitt gefiel mir das sehr gut!“

Wir werden kurz unterbrochen, weil es klingelt. Ihr Sohn, der eigentlich bei einem Freund sein wollte, steht plötzlich vor der Tür. Nicole Weegmann ist alleinerziehend und lebt mit ihren beiden Kindern in Köln. Die Großeltern wohnen weit weg. Das ist keine immer einfache Situation. Am Anfang habe sie weitergedreht und gedacht, das sei eine Frage der Organisation. Doch bemerkte sie dann, dass es eine ziemliche Zumutung für ihre Kinder ist, und sie begann, ihre Zeit konsequent anders einzuteilen. Heute dreht Nicole nur noch einen Film pro Jahr, obwohl sie ungleich mehr Angebote bekommt. Sie würde aber auch niemals von Kindern abraten. „Kinder zu bekommen ist großartig! Ich glaube auch, dass meine Filme dadurch besser geworden sind, weil es für den Blick auf Menschen und Realitäten, also für das eigene Menschsein sehr gewinnbringend ist. Die werden ja auch wahnsinnig schnell groß und fangen an, keinen Bock mehr auf einen zu haben. Ich ahne da auch schon die Vorzeichen. Das sind halt 15 Jahre, die man rocken muss!“

Nicole Weegmann hat außerdem noch eine halbe Professur an der Internationalen Filmschule Köln inne. Sie mag das Unterrichten sehr gern und hofft, dass ihre Studierenden später alle Fuß fassen können. Denn Leute sollten sich auch von dem ernähren können, was sie gelernt haben, das gebiete das Gebot der Fairness, findet sie. Deshalb hält Nicole es auch für wichtig, dass Frauen sich gegenseitig unterstützen. Es gebe keinen Grund, warum Frauen in bestimmten Formaten so gut wie nie besetzt werden würden. Zugleich hat sie jedoch auch eine grundsätzliche Abneigung dagegen, künstlerische Qualität zu quotieren.

Durch das Debüt im Ersten vom SWR erhielt Nicole nach ihrem Abschlussfilm die Chance auf ihren ersten Spielfilm. Es folgten ein zweiter Film nach dem Debüt und ein „Tatort“. Von Vorteil war auch, dass sie damals selbst schrieb, zusammen mit einem Autoren von der Filmakademie. „Am Anfang sind Stoffe das Gold, nach dem alle schürfen. Man muss versuchen, sich mit einem Autoren zusammenzufinden und sich über ein Buch anzubieten. Das ist zumindest ein Weg, der klug ist.“

Nicole hat eine Vorliebe für schwere Themen mit einer gewissen gesellschaftlichen Relevanz, für wahrhaftige Momente. Vor allem interessieren sie jedoch ambivalente, vielschichtige Figuren. Figuren mit Abgründen. Ein wenig schade findet sie es, dass solche Thematiken selten im Kino verhandelt werden. Demnächst inszeniert sie für's Fernsehen einen Film über die Love Parade-Katastrophe in Duisburg. „Es handelt sich eigentlich um eine Geschichte von wilden, verrückten, jungen Menschen, die dann in eine Liebesgeschichte führt. Es ist auch eher ein politisch unkorrekter Umgang mit dem Thema, ohne dabei effekthascherisch zu sein. Ich freue mich sehr darauf!“

Man spürt, dass Nicole Weegmann es wirklich liebt, Filme zu machen. Dabei ist sie selbst ihr größter Kritiker. Aus ihrer Sicht ist es wichtig, dass die Handschrift eines Regisseurs erkennbar und er oder sie in der Lage ist, eine Vision zu formulieren und filmisch umzusetzen. Sie hängt ihre eigenen Ansprüche sehr hoch, was auch ihr Motor, ihr Antrieb ist – und freut sich, wenn ihr eine Szene gelingt. „Am glücklichsten bin ich, wenn ich eine Szene sehe, die ich inszeniert und bei der ich das Gefühl habe, dass sie mich erreicht; wenn ich etwas zum Ausdruck bringe, das mir erzählenswert erscheint.“

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Autorin: Katja Ginnow