Viktor Apfelbacher, Absolvent Fernsehjournalismus (2013)

Neue Welten entdecken

Zwei anstrengende Monate liegen hinter Viktor Apfelbacher. Gerade erst ist er aus Kanada zurück, von einer Reise quer durch fünf Nationalparks. Dreharbeiten, für eine Reihe von fünf Folgen, für ARTE Entdeckung. Über die Natur in den Parks, Pflanzen und Tierwelt. Aber genauso über die Menschen, die dort leben. „Das Interessanteste meiner Arbeit ist für mich, neue Welten zu entdecken. Nicht nur geografische, sondern auch menschliche.“

Viktor Apfelbacher ist fest angestellt bei Florianfilm, mit acht weiteren Kollegen eine der größeren Produktionsstätten für Dokumentarfilm in Deutschland. Er setzt Filme als Autor und Regisseur um, betreut zuweilen aber auch Projekte als Producer. Eigene Filmideen vorzubringen, ist erwünscht. Jeder innerhalb der Firma wirft etwas ein. Aus manchen Ideen wird dann eben was, aus anderen nicht. Aber jeder soll etwas einbringen. Nicht nur die Autoren, sondern vom Producer bis hin zum Grafiker.

Woher die Inspiration für neue Filmideen kommt? „Menschen. Menschen, mit denen ich mich unterhalte.“ Oder auch Zeitungen, Nachrichten. Zuweilen kommen die Vorschläge auch direkt von den Sendern. So lief es auch bei der Reihe über die kanadischen Nationalparks. Kanada als Traumland vieler Deutscher, insbesondere durch die Abgeschiedenheit in der Natur. ARTE Entdeckung soll Welten öffnen, die zum Träumen anregen, für viele aber auch unerreichbar sind.

Viktor Apfelbachers Vorlieben sind dabei klar: „Ich darf meinen eigenen Wünschen folgen. Neue Länder und Kulturen entdecken. Zu Reisen, mich zieht es immer wieder fort. Die Fremde ist für mich schon immer der Reiz gewesen. Von jung an musste ich immer weg. Ich hab schon als Kind immer versucht, mich im Wald zu verlieren, zu verlaufen. Hat natürlich nie geklappt.“

Was ihn antreibt, ist die Neugier auf das Unbekannte, andere Menschen, deren Weltanschauungen. Und die Frage: „Könnte ich auch so leben?“ Diese Fremde muss nicht immer weit weg sein. Es kann auch die Welt einer Person sein, die seit 20 Jahren im Gefängnis ist. Lebensbereiche eben, die ihm fremd sind. Aus dieser Neugier heraus ergibt sich dann das eigentliche Thema. „Das kann sozialkritisch sein, das kann politisch sein. Das kann aber auch die Geschichte des Fischers in Neufundland sein, der stolz darauf ist, Neufundländer zu sein.“ Irgendwo schleicht sich dann oft eine sozialkritische Komponente hinein, aber in erster Linie geht es Viktor Apfelbacher darum, die Menschen dort zu verstehen: Wie lebt der, wie denkt oder fühlt der über dies oder jenes?

In welche Region es ihn zieht, variiert. Im Moment würde ihn Mali reizen, der reichhaltigen Musikkultur wegen. Unruhige Gegenden würden ihn dabei nicht zurückhalten. Es sei denn, das Risiko wäre deutlich zu groß. Nordmexiko wäre so ein Gebiet. Aber nicht nur der gefährlichen Lage für Journalisten wegen. „Ich fühle mich da einfach nicht in der Lage, mit einem Film von mir etwas zu verändern.“ Auch ein Filmemacher hat eben seine Grenzen.

Als Sohn einer mexikanischen Mutter und eines deutschen Vaters fühlt er sich dieser Region besonders verbunden. Sein Bruder ist noch in Mexiko geboren, Viktor Apfelbacher bereits in Deutschland. „In Mexiko war ich dann immer der Deutsche, in Deutschland immer der Mexikaner. Ich hab mir so ein bisschen meine eigene Welt geschaffen.“ Die Suche nach der eigenen Heimat, von klein auf – vielleicht auch das der Ansporn, noch andere Welten kennenzulernen.

Seinen letzten Besuch in Mexiko hat er der Filmakademie zu verdanken, er war dort zu Dreharbeiten für ein Stadtporträt über Mexiko-City, als Film für sein Studium. Und das trotz damaliger Bedenken, ging doch gerade die Schweinegrippe um. Drei Wochen war er in der Stadt unterwegs. „Es war ein schönes Projekt, aber auch wahnsinnig anstrengend. Jeden Tag haben wir unser Equipment gepackt und sind raus auf die Straße.“

Vor seinem Diplomfilm legte Viktor Apfelbacher ein Urlaubsjahr ein, um Produktionsluft bei Florianfilm zu schnuppern. Um noch vor dem Studienabschluss zu wissen, wie der Hase läuft. Und für den Fall, dass es gar nicht läuft, wäre es zurück ins sichere Nest gegangen. Soweit kam es aber erst gar nicht. Er blieb direkt bei Florianfilm. Und realisierte mit deren Unterstützung seinen Diplomfilm.

Ein Film über die pensionierte Bibliothekarin Elisabeth Zilz, die nach Nicaragua ging. Sie hatte viel in den Nachrichten über die dortige Situation gehört, wollte sich sozial engagieren. Also schloss sie sich einer Gruppe Studenten an, fuhr mit diesen in das Land. Und blieb. Sie gründete dort den Bücherbus Bertolt Brecht, da es in Nicaragua sonst fast keine Bibliotheken gab. Der Bus fährt noch immer aufs Land hinaus, leiht Kindern und Gefängnisinsassen Bücher aus. Doch dann wurde die Protagonistin krank. „Der Film ist ganz anders geworden, als wir das anfangs dachten, er hat ein ganz anderes Ende genommen.“ Er erzählt nun von Elisabeths Freundschaft zum Fahrer des Bücherbusses, der sie von Beginn an begleitete. „Das Projekt hat mir viel gegeben, ich hab da für mich und meine Arbeit auch wahnsinnig viel gelernt. Die Geschichte von Elisabeth Zilz, die Persönlichkeit hat mich sehr bewegt.“ Die Geschichte einer Frau, die zeigt, wozu ein Mensch in der Lage ist, wenn er nur den Willen dazu hat. Auch wenn jeder andere sagt, das wäre nicht machbar.

Dabei war es nicht Viktor Apfelbachers erster Besuch in Nicaragua. Er war bereits zehn Jahre zuvor dort, und das war auch der Punkt, an dem er sich zum ersten Mal politisch interessierte. Nach dem Abi wollte er raus aus Friedrichshafen, ging auf Reisen. In Nicaragua traf er zum ersten Mal Menschen, die in ihrem Alltag Politik lebten, die sich mit der Revolution identifizierten. Überall an den Wänden standen politische Parolen. Während in Süddeutschland, wo er aufwuchs, mehr die Meinung galt, was die Politiker dort oben machen, das hat mit uns wenig zu tun.

Als Ergebnis schrieb er sich für Spanisch und Politik an der Uni Freiburg ein. Zu dem Zeitpunkt entstand auch der Wunsch, als Journalist zu arbeiten. Entweder das, oder als Angestellter einer NGO (Non-Government Organisation). Erst durch das Studium und das Studentenfernsehen der Uni kam er zum Dokumentarfilm. Für ihn ideal, um Journalismus mit Künstlerischem zu verbinden. „Was mir schon immer klar war, ich brauche einen Job mit viel Freiheit. Freiheit, nicht immer an einem Ort zu sein, für eine einzige Sache zu arbeiten. Ich hätte nie für eine Firma arbeiten können, die immer dasselbe identische Produkt herstellt und dann verkauft. Es muss was sein, wo man immer wieder neu einsteigt, was einen immer wieder überrascht.“ Automatismus und Alltag sind es, was ihm widerstrebt.

Viktor Apfelbachers Wunsch hat sich erfüllt. Dankbar ist er vor allem für all die Menschen, die ihm bei der Erfüllung dieses Wunsches geholfen haben. „Menschen, die mir weiterhelfen, mir Kraft und Inspiration geben. Mir Vertrauen schenken, die Arbeit zu tun, die ich mag.“

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Autor: Peter Wedig